Die Bergpredigt

 

Vorbemerkung:

Folgende Ausführungen und Anmerkungen zur Bergpredigt sind eher für den persönlichen Gebrauch geeignet als zur Veröffentlichung. Sie sind Ende 2003 / Anfang 2004 entstanden auf eine etwas ungewöhnliche Weise. Kann uns die Bergpredigt heute noch etwas fürs tägliche Leben sagen oder ist das eher ein Geschichtstext? Diese Frage einer Bekannten war der Anlass für die Erläuterungen. Im Folgenden nun eine Zusammenfassung aus zahlreichen E-Mails, die zum Teil sehr persönlich formuliert sind, weil sie in einer ganz bestimmten Situation geschrieben wurden. Beim Lesen ist es sicher hilfreich und auch nötig, den entsprechenden Bibeltext daneben zu haben.

Karl Heinz Bleß 

 


So, nun konkret zur Bergpredigt. Die ist ja beim Evangelisten Matthäus recht lang, erstreckt sich (im Neuen Testament) von Matthäus 5 bis Matthäus 7. Also über 3 Kapitel.



Matthäus 5, 1-6:

Die Seligpreisungen

 

Jesus geht auf einen Berg und hält eine Rede vor einer größeren Volksmenge. Daher der Name „Bergpredigt“.

 

Die Bergpredigt bei Matthäus beginnt mit den Seligpreisungen: Ich denke mir, sie sind heute aktuell wie selten. In der Werbung und in Spielfilmen wird uns vermittelt, dass derjenige glücklich ist, der reich und gesund ist, der sorgenfrei lebt, den man bedient, der Macht hat ….

 

Und da sagt Jesus: Glücklich sind die, die geistig arm sind (dumm, nicht intelligent), denn das Himmelreich ist ihr. Das musst du mal den Superchristen sagen, die genau festlegen, was die Voraussetzungen für Glück und Seligkeit ist. Ansprüche, die viele gar nicht erfüllen können. Auf jeden Fall spielt Intelligenz für Gott gar keine Rolle. Klar, wer sie hat, soll sie nutzen, aber sie ist nicht der Schlüssel zum Glück, auch keine Voraussetzung dafür, dass man von Gott geliebt wird.

„Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werde.“ Peng! Das stellt doch alles auf den Kopf. Die Frage: „Womit habe ich das verdient?“ passt nicht, weil die Frage falsch ist. Leid ist keine Folge von Schuld. Aber Leid wird auch nicht einfach ignoriert nach dem Motto: So schlimm ist es nun auch wieder nicht, sondern Jesus nimmt Leid ernst. Die Zusage: Sie sollen getröstet werden. Nicht Ablenkung ist das Richtige, sondern Trost. Ist das nicht eine Hilfe für uns? Da kann mancher noch was lernen, der sich für sehr klug hält (und kluge Sprüche hat).

So noch ein Vers: „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.“ Darüber muss ich auch mal nachdenken. Auf jeden Fall sind es nicht die Mächtigen, die Gewalttätigen, die die Erde besitzen. Sie mögen Macht haben, die Herzen haben sie aber nicht gewonnen. Sanftmut ist nicht Schwäche, sondern die Fähigkeit, auch einmal nachgeben zu können, ohne sein Ziel aus den Augen zu verlieren. Wer sanftmütig ist, kann auch mal verzeihen, ist großzügig. Es drückt so was wie innere Sicherheit, Stabilität aus. Jemand der den Überblick hat, kann auch mal großzügig sein und mal nachgeben. Trotzdem muss das nicht ein totaler Verzicht heißen.

„Selig sind, die nach Gerechtigkeit hungern, denn sie sollen satt werden.“ Meine Güte, darauf muss man sich erst einmal einlassen. Es scheint der Sanftmütigkeit zu widersprechen. Gerechtigkeit, wie wir sie verstehen, ist unteilbar, ist kompromisslos. Wer hungert, der hat nur ein Ziel: satt werden. Ich verstehe diese Seligpreisung so, dass derjenige, der für Gerechtigkeit kämpft, auch Erfolg hat. Er kann sich glücklich schätzen.

 

So, nun soll mal jemand sagen, die Bibel sei so unverständlich, hätte für heute keine Bedeutung! Und das alles ist nicht in Gebote oder Verbote gefasst. Ich finde diese Beobachtung besonders wichtig, denn alle anderen Religionen haben ein Regelwerk von Geboten und Verboten. Hier werden „nur“ Möglichkeiten zum Glück gezeigt. Ein Angebot zum Ausprobieren. Man muss sich allerdings auf diese Aussagen einlassen.

 

 

Matthäus 5, 8-12:

„Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“

 

Dazu fällt mir nichts Schlaues ein, denn es spricht für sich, denke ich. Vielleicht der Gedanke, dass keiner eine weiße Weste hat und auf die Vergebung Gottes angewiesen ist, um wieder ein reines Herz zu haben. Aber dann werden wir später Gott schauen/sehen!

 

„Selig sind die Friedfertigen (Friedensstifter), denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Frieden hat ja viele Stufen: Weltfriede, Friede zwischen Nachbarn und in der Familie, Frieden mit sich selbst. Und natürlich auch der Friede mit Gott. Ich denke schon, dass hier eine große Ermunterung steht, sich um den Frieden in der Welt – auch in der kleinen Welt um uns – zu kümmern. Friede ist ja mehr als keinen Streit haben. Es geht um das harmonische Zusammenleben. Doch Frieden herstellen, wo Streit ist, ist oft gar nicht so einfach. Vor allem, wenn der Andere unbedingt Streit will. Es ist in der Weltgeschichte genauso wie bei den Kindern: Jeder zeigt auf den Anderen und sagt: Er hat angefangen! Immer wieder haben verantwortliche Menschen Verhaltensweisen erdacht und ausprobiert, die Frieden stiften. Und oft sind sie einmalig. Man kann sie nicht einfach wiederholen. Frieden zu stiften ist eine immer wieder neue Aufgabe, ein ständiger Prozess. Wer nach Frieden strebt, der strebt nach Heil (Heilung). Vielleicht deshalb „Gottes Kinder“.

 

„Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn das Himmelreich ist ihr.“

Das Wort Gerechtigkeit hat in der Bibel zwei Bedeutungen: Gerechtigkeit zwischen Menschen, so wie wir des allgemein verstehen, und Gerechtigkeit vor Gott. Gottes Gerechtigkeit. Vor Gott richtig sein, es Gott recht machen. Gott spricht gerecht, wenn er vergibt. Luthers zentrale Frage war ja: Wie bekomme ich einen gerechten Gott?! Wie erreiche ich es, dass Gott mit mir zufrieden ist, mich frei von Sünden spricht. Ich denke mir, das ist etwas anderes als die Gerechtigkeit zwischen den Menschen. (Ein weites Thema!). Das Himmelreich ist ihr – kann man sicher auch formulieren: Steht Gottes Welt offen.

 

„Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles über euch, solange sie damit lügen. Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel wohl belohnt werden. Denn genauso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.“

 

Diese Seligpreisung hat einen etwas anderen Stil, ist sogar begründet. Klingt wie später ergänzt, fast schon wie eine Erläuterung des Vorangegangenen. Diesen stilistischen Unterschied sollte man registrieren, ihn aber in diesem Zusammenhang nicht überbewerten, denn es geht ja jetzt um die Konsequenzen für unser Leben. Menschen die sich zu Jesus halten, die als Christen leben wollen und nicht nur unverbindlich „an einen Gott glauben“, werden oft damit aufgezogen. Manchmal haben sie selbst Schuld, weil sie nicht mehr mit beiden Beinen auf der Erde stehen, irgendwie abgehoben haben. Manche Christen sind ja eine Karikatur dessen, was sie sein könnten. Ich denke, die sind hier in erster Linie nicht gemeint. Große Bedeutung hatte die „Verfolgung“ ja für die ersten Christen. Viele haben es mit ihrem Leben bezahlen müssen, dass sie sich Christen nannten. Es gibt heute noch Länder auf der Erde, wo das so der Fall ist, aber es ist nicht mehr ganz so extrem wie ganz früher. Es gibt auch in unserer Gesellschaft Menschen, die Christen benachteiligen im Beruf und im Miteinander. Oft liegt es an bestimmten Verhaltensweisen, die man dann nicht so einfach mitmacht. Wenn ich beispielsweise Frieden stiften will, dann kann ich nicht mitmachen beim Mobbing im Betrieb. Dann kann ich nicht andere fertig machen, nur weil irgendeinem Kollegen dessen Nase nicht gefällt. Und wer nicht alles mitmacht, dadurch auffällt, kann schon zum Gespött der anderen werden. – Macht euch nichts draus. Wenn sie dummes Zeug erzählen, weil sie euch nicht verstehen (wollen), wenn sie euch ausgrenzen, seid nicht traurig. Seid fröhlich, denn irgendwann (im Himmel), vielleicht erst nach diesem irdischen Leben, wird es für die Nachteile einen Vorteil geben, eine Belohnung. Da gibt es nichts Konkretes, nichts Berechenbares oder Einklagbares. Allerdings: Es geht nicht umgekehrt nach dem Motto: Ich ertrage es jetzt, damit ich später eine Belohnung erhalte. Das wäre der falsche Schluss.

 

Matthäus 5, 13

„Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz kraftlos wird, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, sodass man es hinausschüttet und die Leute es zertreten.“

 

Wenn Jesus zu seinen Jüngern spricht, dann stellt er nun doch Ansprüche. Er will nicht das langweilige Leben, das Schwimmen mit dem Strom, nicht die Durchschnittlichkeit. Dass wir auf der Welt sind, soll Spuren hinterlassen. Unsere Umwelt mitgestalten, salzig sein, also positiv Gewürz, die das Leben schmackhaft macht, andererseits auch schmerzhaft sein kann (in Wunden). Ich kann auch mal anders sein als andere. Ich bin ich, eine eigene Persönlichkeit. Und wenn ich merke, hier läuft etwas schief, dann werde ich den Mund aufmachen: gegen Lieblosigkeit, gegen Ungerechtigkeit, gegen Intoleranz. Menschen, die an Gott glauben, Menschen, denen ein neues und sinnvolles Leben geschenkt wurde, die brauchen keine Duckmäuser zu sein. Man muss ja nicht um jeden Preis auffallen, kein Paradiesvogel in der Gesellschaft sein, aber doch Salz in der Suppe sein, also mit beeinflussen, wo die Sache hingeht. Dass kann im Freundeskreis genauso sein wie in der Politik. Jeder muss da seinen Weg finden. Wer sich immer nur anpasst, so verstehe ich den Text, der ist für die Gesellschaft nutzlos. Und auch für Gott in dieser Welt.

Vielleicht ist da ein wenig radikal formuliert, wie vieles in der Bergpredigt zugespitzt ist, aber man kann es ja mal so radikal stehen lassen und auf sich wirken lassen, ohne gleich die Spitzen wegzuinterpretieren.
 


Matthäus 5, 14-16

„Ihr seid das Licht der Welt. ….“

 

Hier steht ein anderes Bild für die gleiche Sache. Ich glaube, dass jeder Mensch von Gott Gaben geschenkt bekommen hat, die er nicht nur für sich alleine haben soll, sondern zum Nutzen der anderen Menschen einsetzen kann. Wer an Gott glaubt, ist und handelt manchmal anders. Deswegen muss man sich nicht verstecken. Es hat ja sowieso keinen Sinn (Stadt auf dem Berg). Anderseits – und hier will ich mal aus eigener Erfahrung ergänzen – hat es auch keinen vernünftigen Sinn, immer und überall alternativ sein zu wollen. Meine Eltern haben vieles, was andere Menschen ganz selbstverständlich tun, nicht mitgemacht. Ich habe den Sinn oft nicht verstanden. Es gab bei uns so viele Tabus, dass es schon Einschränkungen im Leben waren. Da war dann wohl doch manches übertrieben.

Also fröhlich in dieser Welt leben in der Gewissheit, dass ich wegen der Liebe Gottes und seiner Vergebung so frei leben kann, dann wirkt das schon mal ansteckend. Und das ist dann auch nicht krampfhaft, sondern ganz einfach.

 

Wenn ich jetzt den Vers 16 noch einmal lese, dann sieht das für mich wie eine Bestätigung dessen aus, was ich gerade formuliert habe. Na gut!

 

Soweit die Bergpredigt für heute. Bevor es über „das Gesetz und die Propheten“ (die damalige Bibel) oder um „Schriftgelehrte und Pharisäer“ (Theologen und Superfromme) geht. Da höre ich bestimmt nicht so schnell wieder auf!


 

Matthäus 5, 17 – 20

Jesus und das Gesetz

 

Vier Begriffe hatte ich ja schon erklärt: „Das Gesetz und die Propheten“ bedeutet, „die damalige Bibel“, also der Kern des Alten Testaments. Jesus sagt, dass das Alte Testament nicht unwichtig geworden ist durch ihn. Er löst es nicht auf. Er hebt es auch nicht ganz auf. Er will es erfüllen.

Nun ist das ziemlich schwierig, so allgemein zu verstehen.

Da wird man heftig streiten können, was nun dazu gehört und was nicht. Ich denke mal, bei den 10 Geboten ist es eindeutig. Im Alten Testament ist der Wille Gottes schon deutlich gemacht. Und der hat sich nicht verändert. Durch Jesus haben wir nur einen anderen Blick auf manche Aussagen. Ich erinnere mich an mein Studium. Da ist das Alte Testament ja ein eigenes Fach, genauso wie zum Beispiel Neues Testament oder Kirchengeschichte. Und da haben wir mal einen jüdischen Theologen als Gastdozenten gehabt. Für die Juden ist ja bis heute das Alte Testament allein die „Bibel“. Und wie der die alttestamentlichen Texte erklärt hat, da konnte man auch nur zustimmen. So sehen das Christen auch.

 

V.19: Wer nun eines der kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; …

Das ist schon so oft falsch verstanden worden, weil die Leute nicht weiter gelesen haben. Es geht darum, dass man sich nicht die Rosinen aus dem Alten Testament heraussucht und nur das für gültig erklärt, was einem passt. Es gibt Gesetze, über die die ersten Christen auch heftig diskutiert haben, ob sie gelten sollen oder nicht. In der Apostelgeschichte und bei Paulus geht es ja oft um das Thema, ob man Opferfleisch essen darf oder nicht, ob die Beschneidung auch für alle Christen gilt … Also das ist ein Themenkomplex, an dem man wohl ein Leben lang zu fragen und zu klären hat.
 

Wichtig finde ich die diesem Zusammenhang aber den nächsten Vers 20: „Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, dann werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“

Auf den ersten Blick scheint Jesus ein Vorurteil gegen Schriftgelehrte und Pharisäer gehabt zu haben. Erst wenn man genau hinsieht, bemerkt am, dass Jesus einzelne Leute aus diesen Gruppen sehr ernst genommen hat und sie zu seinen Freunden gehörten. Er konnte sich nur immer über die Grundtendenz bei ihnen aufregen. Schriftgelehrte waren die Theologen. Und zwar die (orthodoxen) Theologen, die es besonders ernst mit dem Glauben nahmen. Sie nahmen das Gesetz, also Gebote und religiöse Vorschriften, sehr ernst; sie gingen nach dem Buchstaben des Gesetzes und fragten nicht, was das Gesetz eigentlich bewirken sollte. Also nicht nach dem Sinn des Gesetzes. Ähnlich war es bei den Pharisäern. Das war eine bedeutende Gruppe von sehr frommen Leuten, die darauf achteten, dass der jüdische Glaube nicht vom griechischen Einfluss beeinträchtigt wird (Die griechische Philosophie bestimmte die Antike im Römischen Reich, zu dem auch Palästina gehörte, so wie heute das amerikanische Wertesystem die gesamte westliche Welt bestimmt.) Sie sonderten sich ab. Zu den pharisäischen Gemeinschaften gehörten einzelne Priester, vor allem aber Laien, Handwerker, Bauern und Kaufleute, die nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land lebten. Sie versammelten sich zu gemeinsamen Mahlzeiten, weil sie dann so besser das Gebot der Reinheit einhalten konnten. Das bezog sich beispielsweise auf Speisevorschriften, die zum Teil heute noch bei Juden gelten. Es geht um die besondere Zubereitung des Essens und auch um die Zusammenstellung, das Meiden des Schweinefleisches (es gab damals ja noch keine Trichinenschau) und auch um die Hygiene.

 

Das Problem war, dass sie es so genau nahmen, dass jeder, der es noch strenger auslegte, automatisch Recht bekam. Je strenger, desto besser. Das hatte zum Beispiel die Konsequenz, dass die Armen die Vorschriften gar nicht genau einhalten konnten, weil sie gar nicht die hygienischen Möglichkeit hatten oder auch nicht die Zeit und das Geld, Speisen genau nach strengsten Vorschriften zuzubereiten.

 

Das Leben erschweren, ganze Gruppen ausschließen vom Heil: das waren immer Dinge, die Jesus scharf kritisiert hat, wo er sich auch immer mit den Pharisäern und Schriftgelehrten angelegt hat. Und genau das ist ja auch die Gefahr für Menschen, die es mit dem Christsein sehr genau nehmen. Wenn sie an sich gute Regeln für allgemein gültig erklären und anderen das Leben schwer machen. So kommt es zu der Kuriosität, dass gerade diejenigen, die sich besonders anstrengen, ein gottgefälliges Leben zu führen, Gott nicht gefallen. „…werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“

 

An dieser Stelle hat sich ja auch die Reformation entzündet. Martin Luther hat beim Bibellesen entdeckt, dass es nicht darum geht, dass wir uns anstrengen müssen, um gottgefällig zu leben, sondern dass Gott uns liebt und alles schon getan hat und uns den Glaube und das ewige Heil schenken möchte. Für ein Geschenk muss man nichts leisten.

 

Das Leben als Christ ist gar nicht verkrampft. Im Gegenteil. Richtig fröhlich wird man nur leben, wenn man sich eine gewisse Lockerheit bewahrt. Diese Lockerheit ist nicht etwa gleich zu setzen mit „ist ja eh egal“, sondern ist als Befreiung zum Leben zu verstehen. Der Glaube ist ein Geschenk! Er ist nicht abhängig von religiösen Übungen oder einschränkenden Regeln. Er ist nicht machbar und auch nicht konservierbar. Wir „verfügen“ nicht über unseren Glauben. Deshalb ist ein Wettbewerb, wer den besseren Glauben hat, recht uneffektiv.

 

Ach ja, das Wort Gerechtigkeit hatte ich ja in der letzten Mail schon erläutert. Gerecht = richtig vor Gott, ist in diesem Zusammenhang gemeint.

 


Matthäus 5, 21-26

Vom Töten

 

Dieser Abschnitt ist bei mir mit "Vom Töten" überschrieben. Hier kann man nun ganz gut beobachten, was es heißt, dass Jesus nicht gekommen ist, das Gesetz aufzuheben oder Gebote aufzulösen. Er lässt das alte Gebot stehen, verschärft es sogar noch. Töten, also Mord oder Totschlag, sind ja Kapitalverbrechen. Nichts steht dem Gebot der Nächstenliebe so entgegen wie das Töten. Wer Menschen tötet, soll vor Gericht schuldig gesprochen werden. Und dann kommt das: "Ich aber sage euch". Das muss man sich mal vorstellen, dass Jesus so mit der Bibel umgeht. "Ich aber sage euch." Er stellt sein Wort neben das überlieferte Gotteswort. (Jesus durfte das, weil wir glauben, dass er der Sohn Gottes ist, der den Willen Gottes näher erläuterte.

 

Ein zweiter Gedanke: Jesus muss viel von Psychologie verstanden haben, obwohl man damals das Wort noch nicht einmal kannte. Schwere Beleidigungen können genau so verletzen und Leben zerstören wie das äußerliche Töten. "Du Taugenichts" gesagt an einen Menschen, der ohnehin kein großes Selbstvertrauen hat, kann ihn so zurück werfen, dass ihm Lebensmöglichkeiten genommen werden. Jemandem zu sagen, dass er nichts wert ist, kann sehr tiefe seelische Wunden verursachen.

 

V. 23: Es geht nicht an, dass man Gottesdienst feiert, aber mir seinen Mitmenschen im Streit liegt. Es ist wichtiger, sich mit seinen Mitmenschen zu versöhnen, als Gottesdienst zu feiern! (Viele Christen würden sagen: Erst Gottesdienst feiern, dann versöhnen. Jesus sagt: umgekehrt!) Natürlich, zur Versöhnung gehören immer zwei. Aber versuchen sollte man es wenigstens. Und selbst wenn man vor Gericht ziehen will, sollte man zuerst versuchen, sich außergerichtlich zu einigen. Das ist ja sogar in unser Rechtssystem eingegangen. Bei einem Rechtsstreit wird, bevor die Verhandlung eröffnet wird, vom Gericht ein "Gütetermin" anberaumt mit dem Ziel, dass sich beide Parteien noch einigen, bevor der Richter ein Urteil sprechen wird. Manchmal ist das nur noch Formsache, in manchen Fällen redet der Richter aber auch mit Engelszungen, dass sich die Parteien einigen sollten und macht auch Vorschläge. Jesus gibt bedenken: Vor Gericht kannst du auch den Kürzeren ziehen. Ein Kompromiss ist immer noch besser als eine Verurteilung. Und das kann teuer werden.

 

Ich finde, das ist alles sehr praktisch. Und es ist auch wieder so, dass man es auch ganz praktisch umsetzen und ausprobieren kann, ob es sich bewährt. Es ist ja nicht so, dass Jesus die Gerichte ganz abschaffen will oder einem Richter das Recht abspricht, Recht zu sprechen. Aber man soll es nicht gleich auf die Spitze treiben, sondern erst einmal versuchen, einen Ausweg aus dem Konflikt zu finden. Manche Christen lesen hieraus, dass man gar nicht vor Gericht ziehen darf. Das ist nun auch wieder übertrieben. Manchmal bleibt einem gar nichts anderes übrig. Es gibt ja sogar Streithähne, die gehen davon aus, dass die Frommen nicht vor Gericht klagen dürfen und sehen das als Freibrief für sich. Ich hatte mal einen Arbeitgeber, der das auch meinte. Der hat sich dann aber gewundert, als er plötzlich die Kündigungsschutzklage auf dem Tisch hatte. Und dann war er plötzlich doch kompromissbereit. Hat lange gedauert. Aber sonst wäre er ganz sicher auch verurteilt worden.

 

Na, zu dem Abschnitt mit dem Ehebrechen werde ich mich mal später äußern. In diesem Zusammenhang sollte man nämlich auch mal über das altertümliche Eherecht nachdenken, das Hintergrund des Textes ist.

 

 

Matthäus 5, 27-32

Vom Ehebrechen

 

Zunächst einmal muss man hier den kulturellen Hintergrund beachten. Offensichtlich geht der Text im ersten Teil davon aus,  dass nur Männer die Ehe brechen können. Und wie noch heute in Teilen des Orients, kann sich nur ein Mann von seiner Frau trennen, nicht umgekehrt. Ich weiß zum Beispiel, dass in der arabischen Welt noch heute die Männer ihre Frauen verstoßen können. Wenn ein Mann dreimal zu seiner Frau sagt: "Ich verstoße dich", ist die Ehe geschieden. Damit die Frau dann nicht mittellos ist, haben die Frauen in diesen Kulturen sehr viel Gold. Schon bei der Hochzeit bekommen sie heute noch mindestens 1 Kilo Gold (reiner als das Gold in Europa), um damit im Notfall versorgt zu sein.

 

Also, muss man etwas vorsichtig sein, wenn man den Text auf heute beziehen will. Man kann nicht alles ganz wörtlich übertragen, weil es eine andere Kultur als unsere ist.

 

Soweit die Vorbemerkungen. Jetzt zum „Und doch“: Im ersten Abschnitt gibt es das gleiche Bild wie im Abschnitt davor: Jesus verschärft das Gebot. Ehebruch ist nicht nur dann, wenn die Ehe unheilbar kaputt ist, sondern es fängt ja schon vorher an. Es beginnt im Kopf, es beginnt mit den Gefühlen. Sobald ich mir Gedanken mache, wie ich den anderen (Fremden) rumkriege, habe ich die Ehe mit meinem Partner schon gebrochen – im Herzen, in Gedanken. Ich bin schon untreu geworden. Meine Gedanken sind nicht mehr bei meinem Partner, sondern bei einem fremden Menschen. Mein Partner ist mir in diesem Augenblick relativ egal. Und Jesus sagt: In diesem Augenblick hast du deine Ehe schon gebrochen, du bist untreu geworden. So fängt es an.

 

Weißt du, es gibt doch diese Saubermänner, die immer mit derselben Frau verheiratet sind, aber auf Geschäftsreisen mit anderen Frauen losziehen. Das ist doch Heuchelei. Selbst wenn "nichts passiert", im Grunde genommen ist ein Stück der Ehe damit gestorben. Eine wichtige Frage ist in diesem Zusammenhang: "An wen denkst du?"

 

Das Brutale mit dem Auge ausreißen oder die Hand abhacken verstehe ich so, dass man sich nicht in die Gefahren begeben sollte. Da sollte man auch keine konkreten allgemeingültigen Regeln aufstellen. Das muss jeder für sich wissen, wo er in Gefahr ist, in Gedanken seinem Ehepartner untreu zu werden.

 

Ab Vers 31: Hier kommt etwas Neues. Jesus sagt, dass auch eine Frau die Ehe brechen kann. Er äußert sich hier für damalige Verhältnisse sehr emanzipiert. Allerdings wird dem Mann dafür die Schuld gegeben. Das hängt natürlich mit dem gesellschaftlichen Umfeld zusammen.

 

Ich will mich mal etwas von dem Text lösen und an heute denken. Wenn jemand eine Affäre mit einem Verheirateten oder einer Verheirateten eingeht, dann hört man oft: "Ich mache da nichts kaputt. Die Ehe war schon kaputt, sonst wären wir uns nicht gleich so nahe gekommen." Darin steckt ja ein Funke Wahrheit. Andererseits macht man es sich leicht, einfach die Verantwortung von sich wegzuschieben. Ich würde sagen, wer eine = Affäre mit einer Verheirateten oder einem Verheirateten eingeht, bricht in dessen Ehe ein. Das ist dann Ehebruch. So, und wer verheiratet ist, und eine Affäre mit einer anderen eingeht, der hat in seinem Herzen die Ehe auch schon gebrochen.

 

In den Kirchen wurde und wird ja immer wieder diskutiert, ob Geschiedene wieder heiraten dürfen. Bei einer kirchlichen Trauung sind die Geistlichen ja direkt beteiligt. Hier, dieser Text der Bergpredigt, ist (neben Äußerungen des Paulus in seinen Briefen) der Grund dafür, dass sie darüber so intensiv nachdenken und diskutieren. Ich denke mir, solange auch nur der leiseste Funken Hoffnung besteht, dass sich die Geschiedenen doch wieder vertragen, sollte man nicht in diese Ehe (auch geschiedene Ehe) einbrechen.

 

Im Grunde macht das alles deutlich, dass man kaum davor sicher ist, in diesem Sinne Jesu Ehebruch zu begehen. Wenn das schon im Kopf anfängt, in den Gedanken, dann kann sich keiner die Hände in Unschuld waschen. Da sollen die mal die ganz vorsichtig sein, die Geschiedene verurteilen. Denn in ihrem Herzen haben sie vermutlich auch schon ihre Ehe gebrochen. Wir sind alle gleichermaßen auf die Vergebung angewiesen.

 

Mit der Ehe und der Scheidung ist es bei uns inzwischen ja auch eine sehr komplizierte Sache. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich soviel in unserer Gesellschaft verändert. Die finanziellen Abhängigkeiten (in der Regel der Frauen) sind nicht mehr ganz so schlimm wie früher. Deshalb muss man sich von seinem Partner nicht alles gefallen lassen. Und trotzdem tut eine Scheidung weh, es gibt immer viel Leid (und großen finanziellen Schaden.) Deshalb ist es nach wie vor schlimm, sich zu trennen und scheiden zu lassen. Und gerade deshalb sollte man sie möglichst vermeiden. Der Anfang, der Keim der Trennung liegt eben in unseren Gedanken, beim Ehebruch im Herzen, beim gedanklichen Fremdgehen. Wer seine Ehe nicht gefährden will, der sollte auch gedanklich nicht fremdgehen.

 

So, jetzt habe ich die Kurve hoffentlich wieder gekriegt. Sonst sagst du mir noch, ich hätte den Text gegen seinen Wortlaut erklärt. Ich will ihn ja nicht ins Gegenteil uminterpretieren.

 

Na ja, ein bisschen zum Nachdenken muss ich dir ja auch lassen.



Matthäus 5, 33-37

Vom Schwören

 

Ihr habt gehört – ich aber sage euch! Das hatten wir schon mal.

Und auch bei diesem Abschnitt gilt, dass man nicht „buchstäbeln“ soll, wie mein Professor für Altes Testament, ein ganz lieber älterer Herr aus der Schweiz, immer seine Studenten ermahnte.

Buchstäbeln: darunter verstehe ich, dass man jeden Eid in jeder Lebenslage ablehnt, wie beispielsweise die Zeugen Jehovas.

Es gibt doch Leute, die meinen ihre Aussagen immer bekräftigen zu müssen, indem sie sagen: „Schwör ich“. Oder: „Bei der Seligkeit meiner Mutter,…“ als könnten sie darüber verfügen. Oder auch: „Gott ist mein Zuge,…..“ Warum um alles in der Welt braucht man das? Wer eindeutig lebt, eindeutig redet, wenn jemand ja sagt und auch ja meint, wenn er nein sagt, wenn er nein meint, dann ist das Schwören völlig überflüssig. Es gibt ja sogar die absurde Regel, dass wenn man die Finger der einen Hand zum Schwur hebt und die Finger der anderen Hand kreuzt und dem Boden entgegenstreckt, dieses wie einen Blitzableiter wirkt. Dann gilt der Schwur nicht. Das ist dann ja nur noch komisch.

 

Bei Amtsverpflichtung von Beamten oder Ministern beispielsweise ist ja ein so genannte Amtseid nötig. In unseren Verfassungen sind die so formuliert, dass das Willensbekundungen sind: Ich will..., ich werde alles tun…“ Und dann steht am Ende „so wahr mir Gott helfe“. Diese „religiöse“ Formel ist nicht zwingend vorgeschrieben, man kann sie auch weglassen. Vor allem Atheisten lassen diese Formel in der Regel weg. Inzwischen ist das „so wahr mir Gott helfe“ zu einer Bekenntnisformel geworden: ich werde alles versuchen, bin aber darauf angewiesen, dass Gott mir dabei hilft, sonst wird das nichts.“

Ich denke mir, dass Jesus sich nicht dagegen gerichtet hätte.

Stehen bleibt aber: Du sollst nicht schwören. Rede so, dass dich niemand um einen Eid bittet. Du hast es nicht nötig. Und alles, was man zur Bekräftigung heranführen könnte, steht ohnehin nicht in deiner Verfügungsgewalt.

 

 

Matthäus 5, 38-48

Von der Feindesliebe

 

Es beginnt wieder mit einem Zitat aus dem Alten Testament. „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ Das war damals (und heute teilweise im islamisch geprägten Orient) schon sehr fortschrittlich, weil es sich gegen die Blutrache richtete. Nicht demjenigen, der dir Böses getan hat, dieses um ein Vielfaches vergelten, damit er es nie wieder tut, sondern Gleiches mit Gleichem zu vergelten genügt! Schon das Alte Testament stellte sich gegen die Blutrache.

 

Und dann kommt das „Ich aber sage euch…“

Die Frage ist, wie komme ich aus dem Teufelskreis der Gewalt heraus? Gleiches mit Gleichem … da wird nicht wirklich die Gewalt abgebaut. Um das mal ganz einfach zu zeigen an der Politik Israels im Nahen Osten. Nach jedem Selbstmord-Attentat zeigt der Staat Israel Stärke, die Vergeltung soll eigentlich nur so weit gehen, dass Gleiches mit Gleichem vergolten wird (Staatspolitik). Doch seit Jahren bringt das keinen Fortschritt. Es müssen intelligentere Formen her. Gib ihnen etwas anderes – Frieden, soziale Gerechtigkeit, Entgegenkommen bei deren Bedürfnissen.

Ich glaube, ich habe es schon einmal geschrieben, dass es hier nicht um feste Regeln gehen kann, die uns berechenbar machen. Wenn mein Feind fest damit rechnen kann, dass ich nicht zurückschlage, dass ich ihm auch noch die andere Wange hinhalte, dann kann er mich ausrechnen. Dann steigerte es sogar noch die Gewalt. Aber wenn es sich um eine Überraschung handelt, dann ist der Konfliktstoff herausgenommen.

 

Mit der Feindesliebe ist das ähnlich, aber eher im privaten Bereich. Natürlich gibt es immer Gegenbeispiele, wo das nicht funktioniert hat. Aber es gibt unzählige Beispiele, wo dieses Prinzip sehr gut funktioniert hat. Freunde zu lieben, ist keine Herausforderung. Aber Feinde? Wenn jemand mich nicht mag und das auch zeigt, dann muss ich ihn ja nicht gleich umarmen. Es geht um die andere Einstellung. Natürlich kann ich ihn auch genauso anfeinden und wir haben ein Zickenduell oder eine „Männerfeindschaft“. Klingt sehr heroisch, ist aber Mist. Wenn ich mir jetzt aber überlege, warum der/die Andere so auf mich reagiert, vielleicht auch einmal nachfrage und damit signalisiere: „Ich muss das nicht haben“, dann ist die ganze Einstellung anders. Dann nehme ich den/die Andere(n) ernst als vollwertigen Menschen. Und dann benehmen wir uns wie Gottes Kinder.

 

Dieses ist auch wieder so eine Sache, die man nicht einfach allgemein zum Gesetz erheben kann. Man muss es einfach ausprobieren. Ich denke dabei immer an einen ehemaligen Kollegen, der mir immer unterstellte, ich wollte etwas Böses von ihm. Er beschwerte sich über jede Kleinigkeit beim Chef, führte Buch über alles, was ich sagte und tat. Und wenn ich ihm etwas Positives anbot, dann drehte er es so, dass ich es schon wieder auf ihn abgesehen hatte. Das war echt krank! Alle haben fürchterlich gelacht, doch wurde es richtig ernst, als es sich zuspitzte. Das Ganze hätte fast vor Gericht geendet.

 

Seitdem habe ich immer auch den Spruch im Kopf: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Allerdings kann das nicht die Standardausrede sein.

Nein, das Ziel ist schon, zu überlegen, wie man den Konfliktstoff aus unserem Alltag herausbekommt. Und oft ist es schon so, dass allein mein Denken auch das Handeln meines Gegenübers beeinflusst. Wenn ich mich anderen gegenüber erst einmal vorurteilsfrei stelle, ihnen alle Chancen gebe, auf sie zugehe, ihnen auch mal kleine Fehler nachsehe, dann ist das Verhältnis ganz anders. Nur ausnutzen lassen muss ich mich nicht. Wenn mein Gegenüber das als Schwäche und als Einladung zu Fiesitäten versteht, dann muss es auch die Grenzen genau kennen lernen.

 

„Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ Gibt es ein besseres Ideal? Also das Handeln ist ja nicht ziellos. Es gibt Perspektiven. So wie man im Urlaub gerne „der Sonne entgegen“ geht/fährt/fliegt, so hat man auch hier ein Ziel, ein sehr schönes Ziel. Aber so wie man die Sonne nie erreicht, wird man hier auf dieser Welt die Vollkommenheit Gottes auch nie erreichen. Aber man weiß so ganz genau, woran man sich ausrichten kann!

 

 


Matthäus 6, 1-4

Vom Almosengeben

 

Almosen, also das, was man Bettlern und Armen gibt, ist das, was für die Bedürftigen abfällt. Almosen sind nicht ein wirkliches Opfer (das weh tut), sondern ich bin großzügig, weil ich es mir leisten kann. Das mal einfach voran.

Zur Zeit Jesu gab es natürlich noch kein Sozialsystem nach unserem Muster. Witwen und Waisen waren zum Beispiel sehr arm dran, denn sie waren auf die Großzügigkeit ihrer Schwager bzw. Onkel angewiesen. Das ging nur selten gut. Und wer krank war und nicht arbeiten konnte, dem blieb nur das Betteln. Wer vorbei ging, warf mal einen Groschen in den Hut, so wie das bei uns in den Fußgängerzonen auch zu beobachten ist.

Nun kann man natürlich mit seiner Großzügigkeit auch angeben. Ich gebe einen großen Betrag für die Armenküche und sorge dafür, dass ich mit Foto in die Zeitung komme. Da kann ich auch noch sagen, dass ich das wegen meines Glaubens mache. Schön für die Bedürftigen, aber Gott beeindruckt das überhaupt nicht. Sponsoring ist nicht im Himmel erfunden worden, denn es geht dabei um ein Geben und Nehmen, das sich die Waage halten muss. Kein Sponsor verschenkt wirklich etwas, denn allein schon die Anerkennung, die er erzielt, ist Geld wert (vielleicht gibt es ja wirklich Ausnahmen?). Er kann es zu Geld machen.

 

Jesus stellt klar, dass wer Bedürftigen etwas gibt und das auch noch in die Welt hinausposaunen lässt, im Grunde genommen nur seine Eitelkeit befriedigen will. Er tut es im Grunde genommen nur/auch für sich selbst.

 

Gutes tun im Verborgenen sollte für Christen die Regel sein. Das nun auch wieder nicht, um bei Gott ein paar Punkte zu sammeln. Nein, er will deutlich machen, dass Gutes tun nur dann echt ist, wenn es ohne Hintergedanken und ohne das Schielen auf einen günstigen Nebeneffekt geschieht.

 

Ich will auch mal die andere Seite der Medaille beleuchten. Es gibt auch Gründe, seine Wohltaten bekannt zu machen. Wenn ein Prominenter etwa öffentlich sagt, die und die Organisation unterstütze ich, weil das eine gute Sache ist, dann kann das eine Vorbildfunktion haben. Viele andere, die diesen Prominenten mögen, werden es nachmachen. Er setzt seine Bekanntheit kostenlos für die Organisation ein, um ihr zu Geld zu verhelfen. Abgesehen von den persönlichen Motiven des Prominenten (gut fürs Ego) kann das sehr sinnvoll sein. Deshalb sage ich auch hier wieder: Nicht das Verhalten in Gesetzen vorschreiben!

 

Soweit für heute. Der nächste Abschnitt schließt ja gleich an diesen Gedanken wieder an. Und dann kommt das Vaterunser.


 

Matthäus 6, 5-8

Vom Beten

 

Beten ist das Reden mit Gott. Wer betet, spricht mit dem Allmächtigen. Nun ist so eine „Konferenz“ mit Gott oder so ein persönliches Gespräch keine Demo. Das Beten eignet sich nicht zum Angeben. Soweit scheint alles klar zu sein. Aber wir stellen uns ja auch nicht auf dem Marktplatz und sprechen laut ein Gebet. Das wird wohl eher die ganz große Ausnahme sein.


Als wir im Studentenhauskreis einmal über diese Bibelstelle sprachen, sagte ein Theologiestudent: „Früher habe ich in der Mensa ja vor dem Essen auch immer die Hände gefaltet und leise ein Tischgebet gesprochen. Ich habe das als ein Bekenntnis meines Glaubens verstanden. Heute mache ich das nicht mehr, denn der Sinn des Gebetes ist ja nicht das Bekenntnis.“ Mann, da kam aber Leben in die Bude! Eine hitzige Diskussion im Hauskreis entwickelte sich darüber. Und ich dachte so bei mit: Recht hat er! Genau das will Jesus wohl auch deutlich machen. Wer das Beten als Bekenntnis sieht, der will von den Leuten gesehen werden. Sonst wäre es ja kein Bekenntnis. Und Jesus nennt solche Leute Heuchler, denn sie tun etwas anderes als sie zu tun vorgeben. Zum persönlichen Gespräch zieht man sich zurück und bespricht das kurz. Und viele Worte machen braucht man bei Gott auch nicht. Ein Gebet ist nicht dann wirkungsvoller, wenn ich alles drei- oder zehnmal sage. Gott, der Allmächtige, ist ja nicht begriffsstutzig. Ganz im Gegenteil: Er weiß eigentlich schon vorher, was wir brauchen und wofür wir uns einsetzen.

 

Und wie soll man es nun anstellen, mit dem Allmächtigen zu reden? Jesus ist da ganz praktisch und formuliert ein „Mustergebet“. Es ist eigentlich nicht gedacht, dass man es möglichst oft wortgetreu nachspricht. Es ist ein Muster, ein Beispiel. Und es ist so komprimiert, dass es eine Wohltat ist. Da ist nichts von Gebetsmühlenhaftigkeit, sondern es spiegelt den Respekt und gleichzeitig eine Vertrautheit wider, die ein Beispiel für ein gutes Verhältnis zu Gott zeigt.



Matthäus 6, 9-15

Das Vaterunser

 

„Unser Vater im Himmel.“

 

Ich weiß nicht, ob es irgend eine Religion gibt, in der man Gott als Vater ansprechen darf, in der man zu Gott „du“ sagen darf. Wie wir „Unser Vater“ verstehen, hängt natürlich damit zusammen, wie wir den Begriff füllen. Da spielt unser menschlicher Vater und wie wir diesen erleben eine ganz wichtige Rolle. Wer einen bösen Vater hatte, dem fällt es schwer, an Gottes Liebe zu glauben. Aber man muss ja nicht gleich in Extreme denken. „Vater“ drückt ein Vertrauensverhältnis aus. Ich darf Gott vertrauen. Außerdem hat er einen besseren Überblick und weiß besser als ich, was für mich gut ist. Ich kann jederzeit zu ihm kommen, brauche mir keinen Termin geben zu lassen. Mein Vater ist jemand, der für mich sorgt, der mir aber auch ein großes Stück Freiheit lässt, weil er will, dass ich selbstständig werde. Er zwingt mich zu nichts, warnt mich aber vor Gefahren. Und wenn ich mich elend fühle oder sehr traurig bin, dann nimmt er mich in seine Arme und tröstet mich. Er ist dann einfach für mich da.

 

„Im Himmel“ – Der Himmel ist nicht das Himmelsblau über uns, sondern eher die unsichtbare und unvergängliche Welt um uns, die bis in die Weiten des Alls reicht. Gott ist ja nicht weit weg, sondern ganz nahe. Wir sehen ihn nicht, aber er ist doch da. Was wir sehen, ist die vergängliche Welt, die sichtbare Schöpfung. Was wir nicht mit unseren Sinnen erfassen können, ist trotzdem da. Manchmal ahnen wir ja etwas davon. – Wenn wir nach dem Tod bei Gott leben, dann muss das gar nicht so weit weg von hier sein, weil der Himmel die Erde mit umfasst. Aber es gibt noch ganz andere Dimensionen, ganz andere Welten. Aber darüber kann man nur spekulieren. Fest steht: bei Gott ist es schön, gut, ohne Leid und Krankheit. Liebe, Harmonie … Begriffe, die wir benutzen, wenn wir zum Beispiel vom „Himmel auf Erden“ sprechen. Ich denke, so etwas ist gemeint.

 

„Dein Name werde geheiligt.“ „heilig“ ist das Besondere. Gott ist zwar unser Vater, aber doch etwas Besonderes. Er fordert doch gleichzeitig Respekt.

Mit dem Namen ist das auch so eine Sache. Name ist eben nicht gleich „Schall und Rauch“. Im Orient hat man damals viel besser verstanden als wir heute, dass man über jemanden verfügen kann, wenn man seinen Namen kennt. Du kannst einen Menschen nur zum Star machen, wenn du seinen Namen kennst. Und du kannst einen nur fertig machen, wenn du seinen Namen kennst. Denke mal an die negative Seite der Presse. Da werden Menschen hochgejubelt oder auch wieder zum Absturz gebracht. Wer den Namen kennt, hat Macht über einen Menschen. So, und bei Gott soll es so sein, dass wir mit seinem Namen nicht so umgehen, als meinten wir, über Gott verfügen zu können. Manche Menschen denken ja, sie könnten Gott genau beschreiben und wüssten genau, wie er ist. Dann haben sie einen „kleinen Taschengott“. Ein Gott, über den ich verfügen kann, ist kleiner als ich. Und dass ist nicht mehr Gott. Das ist etwas, was ich mir zurecht gelegt habe. Aber Gott ist souverän!

 

„Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“ Das Reich Gottes, übrigens ein zentrales Thema bei Jesus, ist die Herrschaft Gottes. Das Reich Gottes hat etwas andere Maßstäbe als unsere, es wirkt aber schon jetzt durch die Christen in diese Welt hinein. Wenn Menschen heil werden, sie die Vergebung ihrer Sünden erleben, plötzlich mit Gott sprechen und auch von ihm Weisungen erhalten, dann sind das so Blitzlichter des Reiches Gottes. Ganz eng damit verbunden ist: „Dein Wille geschehe“. Wenn Gottes Wille uneingeschränkt zählt, dann haben wir den Himmel auf Erden. Irgendwann, so ist die Hoffnung, wird sich Gottes Reich ganz in dieser Welt durchsetzen und auch sein Wille. Ob dazu unsere Erde erst ganz zerstört sein wird und eine neue Erde entsteht oder ob sich diese Erde so radikal ändert, das sei dahin gestellt. Auf jeden Fall hat unser Tun jetzt, also das Entsprechen dem Willen Gottes, die Liebe zum Nächsten, Bedeutung für das kommende Reich Gottes. Es ist schon jetzt ein Stück Reich Gottes in unserer Welt. – Klingt ganz kompliziert, aber nur auf dem ersten Blick.

 

„Unser tägliches Brot gib uns heute.“ – Christen verstehen es, dass sie nur genug zu essen und zu trinken haben, weil Gott es so will. Nur weil die Natur die Rohstoffe liefert, können wir unser Essen zubereiten. Und manche Dinge können wir so essen: z. B. Obst. Nur wenn Gott es uns gibt, haben wir zu essen.

Das „Unser“ kann man auch als menschliche Aufgabe verstehen. Es gibt auf der Welt genügend zu essen und zu trinken für alle Menschen. Es ist nur nicht so verteilt, dass alle an „unser täglich Brot“ kommen. Wer mit dazu beiträgt, dass das täglich Brot auf der Erde gerechter verteilt wird, dass Menschen nicht verhungern und verdursten müssen, der ist in Gottes Auftrag unterwegs. Es wäre ja auch unlogisch zu bitten: Gib mir ein täglich Brot, die anderen sind ja egal! Dankbar von Gott das Brot annehmen und mit Bedürftigen teilen, das ist die Einstellung, die hinter dieser Bitte steht.

 

Das alles klingt schön und logisch, man wird da gerne zustimmen. Konkret wird es aber erst dann, wenn wir merken, dass wir weniger haben, wenn wir abgeben. Ich denke da beispielsweise an die Zeit der Grenzöffnung in Deutschland Ende 1989. Und auch 1990. Die Einheit Deutschlands wollten alle. Klar, die „armen DDR-Bürger“ wollte man gerne unterstützen. Als dann aber der Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer eingeführt wurde, da gab es lange Gesichter. Und als die Leute zu hunderten über die ehemalige Grenze kamen, um im Westen zu arbeiten, da hüteten einige doch sehr eifersüchtig ihren Arbeitsplatz. Und als dann Arbeitgeber Arbeitsplätze in den Osten verlagerten, da giftete man sie schon an. Wie du siehst, ist das eine komplizierte Geschichte. Und wenn es dann noch um ferne Länder geht, etwa um Entwicklungshilfe für Afghanistan oder um Schuldenerlass für ein afrikanisches Land, dass gibt es böse Worte: „Da schicken sie die Millionen hin und hier fehlt das Geld für Arbeitsplätze!“  - Ich denke mir, wenn so mancher an diese Zusammenhänge denken würde, dann würde er aber ganz schnell den Wandteller mit dem Spruch „Unser täglich Brot gib uns heute“ von der Wand reißen!

 

„Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.“ – Da nimmt man sich als Betender ganz schön selbst in die Pflicht. Wir dürfen Gott um Vergebung bitten. Und er vergibt uns auch. Deshalb ist es nur logisch, dass wir diese Erfahrung der Vergebung auch an unsere Mitmenschen weitergeben. Wenn wir einsehen, dass wir Fehler machen und wie leicht das geschehen kann, dann haben wir auch eher Verständnis für die Fehler anderer. Obwohl es schmerzlich ist, wenn uns jemand durch einen Fehler sehr wehgetan hat, ihm zu vergeben, ihm das nicht auf ewig und drei Tage nachzutragen, ist das doch nur sehr wenig, wenn wir uns überlegen, was Gott uns alles vergibt, wenn wir ihn bitten.

 

Leicht kommen wir in Versuchung, unseren persönlichen Vorteil zu suchen und damit anderen zu schaden. Das ist sehr menschlich. „Bitte, führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“ Manchmal merken wir ja, dass wir böse sind. Wir wollen es gar nicht, aber es klebt an uns. Da tut man anderen weh, ohne es wirklich zu wollen. Es ist wie die Pest. Selbst wenn man ein freundliches Wort sagen will, kommt das so an, dass der andere sich beleidigt fühlt. Wenn man von dieser „Pest“ plötzlich erlöst ist, dann wird die Umgebung plötzlich auch wieder heller. Raus aus dem Strudel! Manchmal haben wir das Gefühl, es müsste uns schon jemand da herausreißen, damit nicht immer wieder die gleichen unseligen Verhaltensmuster ablaufen. Darum: Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.

 

„Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.“ Das ist eine typische Floskel am Ende eines jüdischen Gebetes. Ein Lob, eine Beschreibung Gottes, eine nochmalige Zusammenfassung des vorher Gesagten. Gott hat die Kraft, Gott ist herrlich (herrschaftlich), Gott gehören Himmel und Erde, er kann!

 

Die Verse 14 und 15 sind eine erneute Wiederholung des Inhalts aus Vers 12, ein Kommentar zur Bitte im Vaterunser. Es wirkt nur noch etwas drastischer.

 

Das soll mal für heute genügen. Vielleicht fällt dir beim Beten des Vaterunsers demnächst der eine oder andere Gedanke ein. Was viele Christen so im Gottesdienst runterleiern, ist in Wirklichkeit so voller Leben und Kraft, dass es an sich schon einen Gottesdienst sprengen könnte. Es steckt so viel in dem kurzen Gebet, es ist so komprimiert, ………

 

 

Matthäus 6, 16-18

Vom Fasten

 

Um es gleich vorweg zu nehmen: Fasten ist nicht mein Ding. Wenn ich eine Weile nichts gegessen habe, dann werde ich ganz ungnädig und auch schnell depressiv. Das hat keinen Sinn. Und da ich keine wirklichen Gewichtsprobleme habe, scheidet auch dieser Aspekt aus.

 

Das Fasten hatte ja in der Antike und bei uns mindestens bis ins Mittelalter eine große Bedeutung. Dabei spielten die beiden Aspekte eine Rolle: der gesundheitliche und der religiöse.

 

In einer Zeit, in der man noch im Rhythmus mit der Natur lebte und sich entsprechend ernährte, gehörten Fastenzeiten einfach dazu. Gut essen und dann wieder fasten, feiern und sich bescheiden.

 

Menschen, die es mit Gott sehr ernst meinten, fasteten auch, wenn sie an Gott eine sehr dringende Bitte hatten. Es war entweder ein Ausdruck der Scham (alles falsch gemacht), der Trauer oder der Konzentration. Sie wollten Gott und sich selbst zeigen, dass sie es sehr ernst meinten mit ihrem Anliegen, so dass sie sogar dafür Opfer brachten (hungerten). Dabei war das Hungern – wie heute im Islam – geregelt, etwa so, dass man nur abends etwas aß oder trank. Und manche Leute hüllten sich dann im wahrsten Sinne des Wortes in Sack und Asche. Es muss grausig ausgesehen haben, wenn die Leute – ich stelle es mir so vor – einen Jutesack über die nackte Haut gezogen haben und kalte Asche über sich rieseln ließen wie Wasser beim Duschen.

 

Jesus kannte das Fasten auch. Er hat es auch praktiziert. Nun sagt er in der Bergpredigt aber: Macht doch nicht so einen Zirkus darum. Wenn ihr fasten wollt, ist das eine Sache zwischen Gott und euch. Die anderen brauchen das nicht zu merken. Und angeben muss man schon gar nicht damit.

 

Es ist ja auch so, dass Gott Gebete nicht deshalb erhört, weil man zusätzlich auch noch fastet. Es ist im Grunde genommen nicht für Gott (der sich nicht beeindrucken lässt), sondern für die Menschen, die sich selbst zeigen, dass sie es ernst meinen. Und sich besser konzentrieren können auf ihr Gebet.

 

Ich habe mir sagen lassen, dass das Fasten eine sehr schöne Erfahrung sein soll, vor allem wenn man genügend trinkt (Wasser und Fruchtsäfte). Man nimmt seinen Körper ganz anders wahr.

Mag sein. Wie gesagt, ich habe da keine Erfahrungen. Klar, wenn ich sehr traurig bin oder sogar um einen lieben Menschen trauere, dann mag ich auch nichts essen. Dann ist das eine natürliche Reaktion des Körpers. Aber ds ist dann auch nicht meine Entscheidung.

 

Also zusammengefasst: Wenn man schon fastet, dann sollte man es nicht als religiöse Leistung verstehen, um bei Gott Punkte zu sammeln. Und schon gar nicht so, das man damit auch noch angibt. Es ist wie beim öffentlichen Beten. Wenn man damit Eindruck schinden will, ist es nur heiße Luft, sagt Jesus.

 

 

Matthäus 6, 19-21

Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln.....

 

Wie meistens geht es bei Jesus auch hier wieder um eine Einstellung zum Leben. Es ist die Kritik an der falschen Sicherheit, die Besitz und Reichtum geben. Es ist ja sehr menschlich, dass man reich und gesund sein will statt arm und krank. Und im Grunde genommen ist ja auch nichts dagegen zu sagen. Man braucht ein Ziel vor Augen. Aber Sicherheit gibt Reichtum nicht. Irdischer Reichtum ist so schnell wieder verflogen. Es ist nicht festzuhalten, es geht dahin: Rost und Motten zerfressen es. Es gibt keine wirkliche Sicherheit im Leben. Reichtum und Besitz sind sehr vergänglich. Sorgt euch lieber um Schätze im Himmel, sagt Jesus. Und das ist so einfach formuliert, und so schwer umzusetzen. Wie sammelt man Schätze im Himmel? Kann man bei Gott Punkte sammeln? Sicher nicht so - nicht so einfach, wenn überhaupt. Aber der Glaube ist nicht materiell. Er ist nicht zu fassen, nicht vorzuzeigen. Was ist mir wichtiger, Zeit für Gott zu haben, oder Überstunden zu machen? Zeit für die Familie zu haben, oder einen Nebenjob zu haben, um noch mehr Geld zu verdienen (damit es die Familie besser hat). Ich denke mir, dass es gerade in unserer Gesellschaft sehr schwer ist, zu sagen: Es ist genug. Ich habe genug verdient. Jetzt will ich es ausgeben. Ich brauche nicht mehr.

 

Das passt überhaupt nicht in unser Wirtschaftssystem. Statt Gewinnmaximierung Verzicht? Da wird man als bekloppt bezeichnet. Aber Gewinnstreben ist nicht alles! "Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz!"

 

Dieser Satz ist sehr hilfreich, finde ich, um einen Maßstab zu haben. Denn der ist ja für jeden Menschen anders, weil es ja um die geheimen Gedanken geht, bei denen wir uns gerne selbst betrügen.

 

Die Bettelmönche im Mittelalter haben diese drei Verse ja sehr rigoros für sch angewendet. Sie verschenkten ihren Besitz und lebten dann  nur von dem, was sie geschenkt bekamen. Sie wollten ihr ganzes Leben Gott weihen und nur für ihn da sein. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass nicht alle so leben können, denn wenn alle betteln würden, wer sollte dann die Lebensmittel produzieren? Und wer soll das erwirtschaften, was die Bettler empfangen?

 

Also allgemeingütige Regeln kann man nicht aufstellen. Gerade muss ich an einige Jugendliche denken, die hier bei einer Fabrik einen sehr gut bezahlten Job haben. Und was machen die? Sie kaufen sich ein sündhaft teures Auto und fahren damit in der Stadt umher. Die Raten für das Auto fressen fast das gesamte Einkommen auf. Und was haben sie davon? Sie brauchen schon bald ein neues, ein besseres Auto. Ihr Herz hängt am Auto! Und damit verarmt das Leben. Reichtum (ab wann ist man reich?) kann auch dafür sorgen, dass das Leben ärmer wird.

 

So, nun habe ich doch noch so viel geschrieben. Ich dachte, die drei Verse sind schnell abgehandelt, aber allein wenn ich an die Bettelmönche denke, dann könnte ich stundenlang weiterschreiben. Auch Mönche konnten Fehlentwicklungen nicht aufhalten. Ach doch noch: In Frankreich gab es mal ein sehr bedeutendes Kloster in Cluny (ganz in der Nähe von Taizé). Die Armut und der Eifer der Mönche beeindruckte viele Menschen. Die Bettelmönche von Cluny wurden sehr geachtet. Sogar Fürsten kamen im Laufe der wachsenden Bedeutung zu den Mönchen und baten um Rat. Viele Menschen spendeten dem Kloster. Die Mönche waren zwar nach wie vor arm, aber das Kloster war reich und einflussreich. Schließlich ist die Abtei an ihrer Bedeutung, ihrer Macht und an ihrem Reichtum zerbrochen, die das Leben der Mönche unglaubwürdig machte. Heute stehen nur noch die Ruinen.

 

Dieses Beispiel macht sehr deutlich, dass man nicht einfach sagen kann: Armut ist gut, Reichtum schlecht. So einfach ist es nicht. Aber woran hängt das Herz?

 

 

Matthäus 6, 22-23

Metapher Auge als Licht

 

Dazu fällt mir nichts Gescheites ein. Der Text spricht ja für sich. Er ist ein Übergang von dem Gedanken davor und dem Gedanken danach. Ach, vielleicht noch der Gedanke, dass es bei Gott immer um den ganzen Menschen geht. Wenn irgendetwas nicht stimmt, ist der ganze Mensch davon betroffen. Na ja, und wenn man gewichtige Dinge mit einem Menschen bespricht, dann ist es gut, wenn man ihm dabei in die Augen sehen kann. Die Augen verraten viel über einen Menschen.



 

Matthäus 6, 24-34

Sorgt euch nicht!

 

Das ist ein Supertext! Dieser Text befreit zum Leben, befreit von tiefen Sorgen und dunkles Grübeln. Dieser Text ermuntert zum Vertrauen auf Gott.

Vor allem sollte man diesen Text nicht als Gebot verstehen, sondern als Gedanken der Freiheit.

So, Vers 24 ist eindeutig. Niemand kann auf Gott vertrauen und auf sein Geld. Geld ist ja nichts anderes als ein neutrales Tauschmittel. Es ist an sich weder gefährlich noch sexy. Es ist neutral. Es ist nichts, auf das man vertrauen kann, denn es kann morgen schon nichts mehr wert sein. Es geht wiederum darum, woran das Herz hängt. Der eine hat mehr zu tauschen, der andere weniger. Würde Geld wirklich glücklich machen, dann müssten fast alle Westeuropäer vor Lachen strahlen. Und in den Slums auf dieser Welt dürfte man kein Lachen hören. – Merkwürdigerweise ist es oft umgekehrt.

 

Nun ist es ja nicht so, dass Geld einfach nichts ist. Es ist ja nicht unwichtig. Aber man solle es nicht überbewerten. Wenn man an manche Leute denkt, die nun wirklich nicht arm sind, die arbeiten sich zu Tode, weil sie nicht genug Geld haben können. Sie haben nicht einmal Zeit, es auszugeben. Sie häufen es an, legen es gut an, damit es noch mehr wird, arbeiten noch mehr, um noch mehr zu bekommen ... Wo bleibt das Leben?

 

Jesus geht noch weiter: Quält euch nicht mit Sorgen. Macht euch keine schlaflosen Nächte, wenn es um eure Grundbedürfnisse geht: essen und trinken, Kleidung und Wohnung. Natürlich ist das alles wichtig! Aber: "Ist nicht das Leben mehr als die Speise und der Leib mehr als die Kleidung?" Es gibt mehr! Gegen Unglück, Missernten, Krankheit kann man sich nicht schützen. Man kann sich etwas absichern gegen die drohenden Folgen. Aber nur ein wenig. Niemand kann die Zukunft voraussehen. Totale Sicherheit gibt es nicht.

 

Ich denke mir, dass Jesus hier nicht verbietet, sich sein "täglich Brot zu verdienen" und sich chic zu kleiden. Aber welchen Stellenwert nimmt das ein? Wie viele Gedanken binden diese Themen? Wie viel Sorgen macht man sich um Dinge, die man gar nicht beeinflussen kann?

 

"Eurer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles bedürft!" Peng. Ist doch ganz einfach. Es befreit von den Sorgen. Ich meine Sorgen, nicht vernünftige Überlegungen. Verbohrt euch nicht in Sorgen! Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht. Und dann geht es um Prioritäten: "Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen."

 

Dieses Versprechen – man kann es ausprobieren. Jeder muss es für sich selbst ausprobieren, sehen, wo er/sie das Reich Gottes fördern kann. Da muss auch jeder für sich (mit Gott) ausmachen, was das konkret bedeutet. Es geht um das grundsätzliche Vertrauen auf Gott, auch um das Hoffen auf Wunder. Wenn ich Gott vertraue, dann bekomme ich alles, was ich wirklich brauche. Allerdings gibt es nach dem "zuerst" auch ein "und dann". Nach dem Ersten kommt auch ein Zweites und ein Drittes. Ich habe einmal gedacht, dass ich die Schule vernachlässigen kann, wenn ich alle meine Zeit in die christliche Jugendarbeit stecke. Das war nicht so gut! Die Schule lief dann sehr schlecht. Also schon Prioritäten, aber nicht alles andere vergessen!

 

Es stimmt doch, dass man sich manchmal schwere Gedanken macht, was wohl werden wird. Da weiß man nicht mehr weiter, kann nicht mehr schlafen, kommt nicht zur Ruhe. Die Gedanken sind für Tage gebunden, man ist fixiert auf das eine Problem. Und dann kommt der befreiende Satz: "Sorget nicht für den anderen Morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass ein jeder Tag seine eigene Plage hat."

 

Natürlich kann man planen für sein Leben, für die nächste Zukunft und sollte auch für das Alter vorsorgen. Aber man braucht sich nicht deswegen verrückt zu machen. Das Leben im Hier und Jetzt, das Wahrnehmen des Augenblicks, des glücklichen Augenblicks - das befreit. Das lässt uns genießen. Und wenn es sich auf das Vertrauen auf Gott aufbaut, ist es auch nicht fatalistisch nach dem Motto: Es wird schon wieder. Eher nach dem Motto: Es wird schon wieder, weil unser himmlischer Vater weiß, was ich brauche. Das Leben mit Gott, das Leben aus Gottes Hand – oder wie man das immer beschreiben mag. Es ist wieder eine Einstellungssache, eine Sache im Kopf. Aber ganz entscheidend!

 

Gerade denke ich an meine Schwiegermutter. Die hat immer eine fürchterliche Angst um ihr Leben. Sie steigt nicht mehr in ein Flugzeug ein, sie fährt ganz ungern mit dem Auto (mit), ist am liebsten zu Hause, wo "nichts passieren kann". Wenn man jetzt mal die psychologischen Gründe dafür außer Acht lässt, dann sollte sie sich einfach mal Vers 27 zu Gemüte führen.

 

Vertrauen auf Gott: Hier kann man ein Stück davon lernen, was das bedeutet. Vertrauen kann man nicht verordnen oder befehlen. Deshalb habe ich auch gleich zu Anfang gesagt, dass man das nicht als Gebot verstehen darf. Nein, als Befreiung zum Leben. !!!!!!!

 

Nun haben wir uns mit zwei Kapiteln der Bergpredigt beschäftigt, es folgt noch das dritte. Da kommt ja noch so einiger Sprengsatz! Aber sehr praktisch! Die Bibel ist ja nicht nur Theorie! Man kann es ausprobieren, muss selbst seine Erfahrungen machen. Na, ich freu mich schon auf die nächsten Abschnitte.

 

 

Matthäus 7, 1-6

Richtet nicht! / Verurteilt nicht!

 

Richtet nicht! Diese Aufforderung müsste besser übersetzt heißen: Verurteilt nicht. Denn darum geht es. Denn es ist ganz klar, dass wir als Menschen Situationen und auch andere Menschen einschätzen müssen, denen wir begegnen. Das gehört zur Kontaktaufnahme. Das geht blitzschnell. Und sehr schlimm ist es für Leute, die keine „Menschenkenntnis“ haben. Einzuschätzen, was mein Gegenüber ist und will, gehört einfach zum Menschsein dazu. Das ist ja auch ganz wertfrei. Aufpassen muss man dann nur, dass diese erste Einschätzung offen bleibt für Korrekturen. Man kann sich ja bei der ersten Einschätzung irren. Der andere Mensch kann ja ganz anders sein – oder etwas anders, als wir beim ersten Eindruck denken. Sonst hat man ein Vorurteil.

 

Aber das Verurteilen anderer Menschen ist eine andere Kategorie. Da verstehe ich ein Verhalten oder eine Entscheidung nicht – und schon ist dieser Mensch für mich gestorben. Das ist das verwerfliche Verurteilen. Erst wenn man versucht, den anderen Menschen in seiner Eigenart zu verstehen, verstehen wir vielleicht auch sein Verhalten. Dann müssen wir es noch längst nicht gut heißen, aber das vernichtende Urteil wird dann nicht so leicht fallen. Die Frage: „Hätte ich in seiner Situation nicht vielleicht genauso oder ähnlich reagiert?“ bringt ein großes Maß an Verständnis mit sich.

 

„Verurteil nicht, damit euch nicht dasselbe Urteil trifft“, ist die Zusammenfassung der ersten beiden Verse. Und dann kommt der Spruch mit dem Splitter im Auge des Anderen. Wer immer das Haar in der Suppe bei anderen sucht, merkt seine eigenen Fehler gar nicht mehr, warnt Jesus. Leute, die immer über Kleinigkeiten bei anderen herummäkeln, stehen immer im Verdacht, von einem großen eigenen Fehler ablenken zu wollen. Bestimmt fallen dir auch zahllose Beispiele ein. Gerade diejenigen, die immer moralisch so ganz genau sind, haben meistens viel Dreck am Stecken. Das ist zumindest meine Erfahrung. Und da sagt Jesus: Du Heuchler! Kümmere dich erst einmal um deinen eigenen Dreck. Sieh mal unter deinem Teppich nach, was du da alles drunter gekehrt hast!

 

Der Vers 6 scheint überhaupt nicht dazu zu passen. Es ist ein anderes Thema, auch so ein Sprichwort, das sich bis in unsere Zeit gehalten hat: Perlen vor die Säue werfen. Das Heilige bedeutet in der Regel in der Bibel das, was für Gott ist. Das Besondere, das Gottgeweihte. Es gibt das Alltägliche und das Besondere. Das Besondere ist das Heilige.

 

Das Ganze hat etwas mit Besonnenheit zu tun, mit Weisheit. Man kann beispielsweise auch Missionseinsätze machen, bei denen eigentlich von vorne herein klar ist, dass das weder von der Situation noch vom Ort sinnvoll ist. Da vertut man Zeit und Energie, ohne dass das etwas bringt. Es ist schwierig, da ein allgemeines Beispiel zu nennen, denn es kommt ja immer auf die Situation an. Vielleicht ist es ein Jahrmarkt. Wenn man direkt auf dem Jahrmarkt neben dem Autoscooter eine kleine Kirche aufbauen würde, wäre das Schwachsinn, denn die Leute sind mit ihren Gedanken ganz weit weg vom Nachdenken. Und Ruhe gibt es dort auch nicht. Alles wird vom Lärm übertönt. Na ja, es ist nicht ganz so einfach. Wie gesagt, es kommt immer auf die Situation an.

 

 

Matthäus 7, 7 – 11:

Bittet, so wird euch gegeben!

 

Das ist eine der spannendsten und lebendigsten Bibelstellen, die es gibt! Ist überhaupt noch was unklar? Wer sich darauf einlässt, der merkt, dass es stimmt!

Wie schnell ist man dabei, das alles zu relativieren. „Das muss man so verstehen …“ Wieso eigentlich? Das ist doch alles ganz klar: Bittet, so wird euch gegeben. Punkt. Fertig. Gebetserhörungen sind ja keine Erfindung ganz frommer Christen, sondern ein sind Versprechen, das Jesus selbst gemacht hat. Gott erhört Gebet. Klar, sonst würde sich das ja auch erübrigen. Natürlich, Gott wäre nicht der liebende Vater, wenn er uns etwas geben würde, was uns nicht gut tut. Einem Kleinkind gibt man auch kein Messer, auch wenn es das haben will. Das ist dann auch nicht grausam oder lieblos, sondern fürsorglich. Und wenn Gott unsere Gebete manchmal auch anders erhört, als wir es uns erhoffen, dann merken wir sehr oft hinterher, dass es so besser war.

Aber ehrlich: Die meisten Christen trauen sich doch gar nicht, Gott um etwas zu bitten. Nicht weil sie schüchtern sind, sondern weil sie dem Versprechen nicht glauben, dass Gott sie erhören wird.

Als Jugendliche hatten wir in unserer Gruppe mal so einen Spruch: „Es gibt Zufälle im Leben, die geschehen einfach. Und es gibt Zufälle, auf die man sich verlassen kann.“

Natürlich ist das zugespitzt. Aber man muss es ausprobieren. Wer Gott um nichts bittet, empfängt von ihm auch nichts. Und er hat für sich auch nicht die Erfahrung gemacht, dass es Gott wirklich gibt. Denn nur beim Ausprobieren kommt die Erfahrung. Die ganz persönliche Erfahrung.

 

Ach, es gibt auch die Ausrede: Ich kann Gott den Allmächtigen nicht mit meinen kleinen Problemchen belästigen. Aber dann soll sich derjenige oder diejenige nicht darüber beschweren, dass er/sie keine Erfahrungen mit Gott macht. Jesus fordert uns regelrecht auf, unsere Wünsche und Vorstellungen im Gebet zu sagen. Da kommt Leben in die Bude!

 

 

Matthäus 7, 12:

Vom Willen Gottes

 

Ich nehme mal erst diesen einen Vers. Da sage noch einer, die Bibel sei kompliziert! Wie soll man als Christ leben, was darf man und was nicht - tausend Predigten sind da schon gehalten worden. Und dann ging es immer um Moral, um Sitte, um Tradition und dann alles durcheinander. Wie viel Unsinn ist da schon geredet worden!!!!! Hier gibt Jesus eine Faustregel, was Gottes Wille ist: "Was ihr wollt, dass euch die Leute tun, dass tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten."

Der Ausdruck "das Gesetz und die Propheten" stand damals für "die Bibel". Denn das Neue Testament gab es ja noch nicht. Also konkret bedeutet das "das Alte Testament". Aber mit "die Bibel" ist man auch ganz gut, wenn man den Sinn verstehen will.

Wir kennen den Bibelvers ja als Sprichwort umgekehrt: "Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg´ auch keinem anderen zu." Das ist aber eine Einschränkung, es ist weniger. Es ist nur eine negative Abgrenzung. Das Sprichwort sagt nur, was man nicht tun soll. Da kommt man schnell an Verbote. Jesus sagt es positiv, was man tun soll. Es geht nicht um Verbote, sondern um positive Verhaltensregeln. Dann erübrigen sich die Verbote von selbst.

Übrigens kann es sein, dass der Ausspruch von Jesus damals auch ein Sprichwort war. Aber was soll's? Wenn Jesus es positiv aufnimmt, ist es doch okay!

 

 

Matthäus 7, 13+14:

Schmaler und breiter Weg

 

Der Weg zu Gott als schmaler Weg mit enger Pforte und der Weg des Verderbens als breiter, bequemer Weg mit breiter Pforte/breitem Tor hat die Menschen in der Vergangenheit immer wieder fasziniert. Selbst in der Kunst gibt es viele Darstellungen mit den Vorstellungen, was auf dem breiten Weg ist und was auf dem schmalen, steilen Weg.

Ich gebe zu, ich habe ein wenig Schwierigkeiten mit diesem Text, weil ich die Bilder vor Augen habe und auch viel dazu gehört habe, was immer nur der Erziehung dienen sollte. Christsein als Leiden: das passt schlecht in unsere Zeit, wo wir schon selbstbewusst unseren Glauben leben dürfen und können. Wir sind keine Außenseiter, wir machen uns höchstens dazu. Es gibt keine Christenverfolgung bei uns.

Wenn man den breiten Weg allerdings so versteht, dass man sich auf der Breite der Lebensmöglichkeiten verzettelt, dass man das Leben sucht und doch immer nur wenig davon findet, weil man zwar alles genießen will, doch am Ende sich arm und elend fühlt, dann kann ich schon etwas damit anfangen. Andererseits empfinde ich das Leben als Christ nicht als eng oder schmal. Ich fühle mich frei dabei. Vielleicht bedeutet die Enge auch die Richtschnur, dass man nicht ziellos die Breite sucht, sondern gerade seinen Weg gehen kann.

 

Na, ich lasse es mal gut sein hiermit, sonst hast du noch den Eindruck, meine Gedanken sind ganz kraus. Es gehen mir so viele Gedanken durch den Kopf. Früher dachte ich wirklich, dass Christsein sei gleich bedeutend ist mit Außenseiter sein. Heute ist meine Erfahrung eher, dass die Leute eher nach dem Kern suchen. Ich habe mich mal mit einem Bekannten unterhalten über diesen und jenen Politiker in unserer Stadt. Das Verhalten war auf den ersten Blick unverständlich, bis ich sagte: "Der und die suchen je auf ihre Weise nach Liebe. Sie stellen sich in den Mittelpunkt, um geliebt zu werden. Dieses ewige Anbiedern ist doch nur ein Ruf nach Liebe." Und dann habe ich behauptet: "Ich brauche das nicht. Ich will nicht unbedingt von jedermann geliebt werden, sondern geachtet." Da verblüfft mich mein Bekannter mit der Aussage: "Ja du, du ruhst ja auch in dir selbst. Bei dir ist das etwas anderes."

 

Ich wusste gar nicht, was ich dazu sagen sollte, aber dass ich nicht mehr auf der grundsätzlichen Suche nach Leben bin, dass hat er doch gemerkt.

Andererseits weiß ich, dass ich auch auf der Suche nach Leben bin, auf einer ganz anderen Art. Aber das lasse ich jetzt wirklich, sonst werden die Gedanken doch noch so kraus wie ein Lockenkopf.

 

 

Matthäus 7, 15-20, 21-23:

Von falschen Propheten

 

Schon Jesus hat gewarnt vor Leuten, die vorgeben, an Gott zu glauben und aus ihrem Glauben heraus etwas zu tun, die in Wirklichkeit aber nur ihre eigenen Interessen verfolgen. An den Früchten sollt ihr sie erkennen! Was bewirken die Leute, die ich im Verdacht habe, falsche Motive zu haben?

In vielen Gemeinden wird dieser wie ähnliche Texte überbewertet. Die Warnung, die ja zu Recht besteht, damit man nicht blauäugig jedem glaubt, der fromm daherredet, führt in manchen Gruppen und Gemeinden zu Misstrauen. Hinter jedem wird ein falscher Prophet vermutet. Jeder muss erst beweisen, dass er kein falscher Prophet ist. Da stellen sich die Frommen mal wieder selbst ein Bein. So wie längst nicht jeder Ausländer ein Terrorist ist (es gibt auch deutsche Terroristen), so ist nicht jeder, der seinen Glauben etwas anders lebt, gleich falsch. Schrecklich dieses Misstrauen! Ich habe mich ja schon oft darüber aufgeregt. Wenn ich manche Christen treffe, dann ist für mich die größte Sorge, dass irgend jemand eine Äußerung von mir als nicht fromm genug ansieht und mich als einen entlarven will, der die Frommen unterwandern will. Ist nicht allein der Gedanke schrecklich, dass ich bei anderen Christen aufpassen muss, was ich sage? Na gut, ich kenne das ja, deshalb trete ich nicht gleich in jedes Fettnäpfchen treten, verbiegen werde ich mich aber deswegen auch nicht. Allein, wenn ich sage, dass ich Theologie an der Uni studiert habe (worauf ich stolz bin), lässt manche Leute aufhorchen. Kann man da überhaupt noch richtig glauben? fragen sie.

 

Natürlich kann man. Und die meisten wissen das ja auch, haben ja auch selbst studiert. Es gibt immer so ein paar wenige, die sich zum "Wächter im Glauben" aufschwingen und das Gift des Verdachtes versprühen. Und das verunsichert alle anderen.

 

So gut, nun habe ich die Kehrseite der Medaille herausgestellt. Nun die andere Seite. Vorsicht ist geboten, wenn Menschen sich anbiedern, die ganz andere Absichten haben. Da will jemand im Mittelpunkt stehen und merkt, dass er das in einer christlichen Gruppe ganz gut kann, obwohl ihm eigentlich nichts am christlichen Glauben liegt. Es könnte genauso gut eine politische Gruppierung sein. Im Grunde genommen geht es ihm/ihr nicht um den Glauben, sondern um den persönlichen Vorteil. Und da man die Motive eines anderen Menschen schlecht beleuchten kann, sagt Jesus: Seht mal nach, was dabei raus kommt. Ist das ein glaubwürdiges, erstrebenswertes Leben, was die zeigen? Sind das freie Menschen, oder haben sie Angst abzustürzen? Tun sie den Willen Gottes? Spricht Liebe aus ihren Worten und Taten?

 

Jesus sagt damit indirekt auch etwas anderes: Christsein kann man nicht nachmachen, nicht einfach nachäffen. An den Taten der frommen Sprücheklopfer könnt ihr sie unterscheiden!

 


Matthäus 7, 24-27:

Gleichnis vom Fundament beim Hausbau

 

Allein das Wort Gottes zu hören, nützt auch nicht viel. Man muss es auch tun! Das Wort Gottes soll das Leben verändern. Es geht um Gottes Willen (Dein Wille geschehe, dein Reich komme!). Wenn sich das nur so mancher Pastor zu Herzen nehmen würde! Dann müsste man ganz anders predigen. Dann wären die Kirchen auch nicht so leer! In meiner Jugendarbeit habe ich oft im Mitarbeiterkreis gefragt: Was soll sich bei den Leuten, die heute zuhören, morgen in ihrem Leben ändern? Was soll anders sein? Und wie du weißt, geht es dabei nicht um Moral in dem Sinne, dass man sagt, was man als Christ zu tun und zu lassen hat.

Das muss die praktische Folge des Glaubens sein, das kann auch bei unterschiedlichen Menschen ganz unterschiedlich sein. Aber es muss sich doch etwas ändern. Und wenn es "nur" das ist, dass die Zuhörer wieder mehr Vertrauen zu Gott haben. Es muss um Perspektiven gehen, um Angebote.

 

So ist das Gleichnis, das Jesus erzählt, doch ganz anschaulich. Es bringt nur was, wenn das gehörte Wort auch Auswirkungen für mein Leben hat. Denn Christsein ist ja keine Ideologie, bei der es um gute Gedanken geht. Es geht um das praktische Leben.

 

Ein Glaube, der sich auch im Alltag auswirkt, hat Bestand. Alles andere ist flüchtig wie Sand im Wüstenwind oder eben eine Sandburg. Es hält nicht. Nur wenn ich mich auf Gott verlasse, wenn ich weiß, dass er mein Gebet erhört, dass er mich liebt, dass er es gut mit mir meint, habe ich die Kraft, anderen Menschen Gutes zu tun, ihnen entgegenzugehen, ihnen seine Liebe weiter zu geben. Und da verändert sich was!

 

Und wenn dann ein Platzregen kommt, wenn das Leben als Christ gar nicht mehr so sonnig ist, dann hat man ein festes Fundament, das auch hält und trägt. Dann ist nicht jeder Zweifel so total, dass ich alles in Frage stelle. Denn wenn ich Gott im Alltag erlebt habe, dann ist das auch von Zweifeln nicht wegzudiskutieren.

 

Du erinnerst dich daran, dass ich schon öfter geschrieben habe: Probiere es aus! Teste, ob das stimmt, was da in der Bibel steht! Wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass es stimmt, dass man sich das nicht eingebildet hat, dann bekommt der Glaube ein festes Fundament. Man wird vor Zweifeln beständiger.

 

Vers 28:

Jesus hat mit seiner direkten Rede, die sehr lebensbezogen war, Aufsehen erregt und die Leute verblüfft! Unverbindlich über den Glauben zu fachsimpeln war nicht sein Ding. Hier wird das so deutlich wie selten! Quatsch kein dummes/frommes Zeug! Tu das, was Gott will. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Tue das, was du von anderen Menschen erwartest. Dann wird sich die Welt verändern. Dann blitzt ein Stück Reich Gottes auf.

Schriftgelehrte waren ja nicht dumm. Es waren Bibelkenner. Aber was nützt es, wenn man die ganze Bibel auswendig kennt, und keine Liebe in sich hat? (würde Paulus sagen) Nicht das Klären komplizierter theologischer Fachfragen bringt uns weiter, sondern das Tun des Willens Gottes.

 

So, das war jetzt noch einmal ein Schlussakkord auf die Bergpredigt.



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(c) Karl Heinz Bleß, Bad Lauterberg, www.bless-online.de